Märchen erzählen
An der Bühne auf dem Bautzener Weihnachtsmarkt stehen die Kinder Schlange. Sie wollen dem Weihnachtsmann ihr Lied singen und einen kleinen Beutel mit Apfel, Nuss und Süßigkeiten erhalten. Eltern feuern sie, einen Glühwein in der Hand, von unten an.
Indes steht im Veranstaltungsraum des angrenzenden Rathauses Ellen Luckas an den Mikrofonen. Soundcheck; in der Endphase. Ich sehe zur Uhr. In einer halben Stunde wird sie ihre Märchenstunde beginnen. Frau Luckas und der Techniker arbeiten konzentriert, aber entspannt an den spielerischen Varianten zu einem Lied. Dann stellt sie ihr Akkordeon ab und geht in ihre Garderobe.
Viele leise Töne, denke ich, der Veranstalter, besorgt, denn ich kenne die aufgekratzten Kinder, die der Weihnachtsmann in den Rathaussaal geleitet, die sich ihre Weihnachtsmarkterlebnisse berichten müssen und dabei das Naschwerk aus den knisternden Zellophanbeutelchen nesteln. Doch meine Bedenken zerschlagen sich bald.
Es sind rund 20 Kinder mit Eltern oder Großeltern gekommen. Es ist
absolute Stille
im Saal. Die Märchenerzählerin Ellen Luckas geht auf die
Kinder ein,
fragt nach ihrem Befinden und ob sie Lust haben, Geschichten
, zu hören. Mit
ihrer warmherzigen, wohlgesetzten Erzählweise, fern von
pädagogisierenden Phrasen und jeder Hast, zieht sie die Zuhörer in ihren
Bann. Ihre
Märchen sind nicht aufgeschrieben. Sie entstehen im Kopf und
wandern mit der
Erzählerin zwischen den Gegenständen, die sie wie eine
Minimärchenwelt
auf einem Tisch aufgebaut hat. Dazwischen greift sie, was
sie schon ein
Leben lang tut, in die Tasten ihres Akkordeons und singt
Lieder. Bei
Mitmachgeschichten hat sie fast alle Kinder bei sich im
Bühnenbereich.
Geschichten, bei denen die Erkenntnis der Freude am
Gemeinsamen der einzige Gewinn ist. Am Ende
der kurzen Stunde sind alle Kinder vorn und bekommen mit der Künstlerin den
Beifall der Erwachsenen.
Ich sitze mit roten Wangen in der letzten Reihe, habe
vergessen, dass
draußen ein Weihnachtsmarkt tobt und denke an all die Märchentanten,
Weihnachtsentertainer und Nikoläuse, die Märchenklassiker vorlasen, dabei die
Kinder maßregelten und in einen Wettlauf mit Zeit und Unruhepegel gerieten. Seit
heute jedoch weiß ich, dass eine Märchenstunde auch etwas Gelungenes sein kann.
Danke Märchenerzählerin. Danke Ellen Luckas
Andreas Hennig
Bautzen, am 6.12.2009
Kulturbüro der Stadt Bautzen